WENDELBURGS KOMPLOTT (German Edition) by Elfie Donnelly

Autor:Elfie Donnelly [Donnelly, Elfie]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
Tags: Roman
veröffentlicht: 2014-06-25T22:00:00+00:00

Boulder, Colorado

„ Die Rocky Mountains, voilá!” präsentierte Prof. Dr. Dr. Wanda R. Wendelburg so stolz, als hätte sie sie erschaffen. Ségolène konnte hinter der tiefliegenden Wolkenwand keine Spur von Bergen ausmachen.

Mit weitausholenden Schritten zog die Professorin über den Parkplatz zur Rent-a-car-Area; Frl. Fischer schob den Gepäckwagen mit den Reisetaschen und hielt mit einem mulmigen Gefühl und der freien Hand die Plastiktüte samt Plutoniumbehälter fest. Sie war sich nur allzu bewußt gewesen, daß sich während des gesamten Fluges diese tickende Zeitbombe in der Gepäckklappe über ihrem Gangsitz befunden hatte. In ihrer Fantasie öffnete sich die Klappe, der Behälter stürzte zwischen die Sitzreihen, wurde, da es sich ja um spaltbares Material handelte, entzweigespalten und setzte soviel Radioaktivität frei, daß das dann bereits abgestürzte Flugzeug zu Sondermüll erklärt werden würde.

Aber sie waren doch schon in Colorado, und Wanda Wendelburg, die, dachte Frl. Fischer, eine Vor-Katastrophen-Mutation war, umrundete mit einem zufriedenen „Voilà!” einen silbergrauen Chevrolet.

Ségolène hielt vor Schreck die Luft an, als die Wendelburg beinahe achtlos die Plastiktragetasche mit dem Plutonium in den Kofferraum warf und dann wie entschuldigend eine Hand in die Tüte steckte und den Behälter zärtlich streichelte. Ségolène schluckte und wußte nicht, warum ihr die Knie plötzlich weich wurden.

Die Professorin schwang sich vors Lenkrad, klopfte auffordernd auf den Beifahrersitz und fuhr, kaum daß Frl. Fischer sich zurechtgeruckelt hatte, mit einem Satz los.

„Wunderbar, diese Automatik! Was für ein Fahrgefühl!“ Sie fädelte sich elegant knapp vor einem heranbrausenden Truck in den fließenden Verkehr Richtung Denver ein, bog aber kurz danach rechts ab und folgte der Straße nach Boulder, das etwa 50 Kilometer westlich gelegen war.

Alarmiert streckte Ségolène den Rücken durch. „Sie haben die falsche Abfahrt genommen, Frau Professor“, sagte sie mit trockenem Mund.

„Blödsinn“, sagte Wanda störrisch. „Wer will schon nach Denver? Nur Mord und Totschlag in so einem Moloch von Großstadt. Sie wissen ja selber wie das ist, jetzt, wo sie eine New-York-Erfahrung hinter sich haben, Lenerl! Verlottertes Volk überall, Schwule, Transvestiten und sogar grausliche lesbische Weiber, wohin man schaut! Für Sie ist das unschuldige Provinzstadtleben besser geeignet. -Hoppla!” Sie riß den Wagen knapp vor einem entgegenkommenden Autobus zurück in die rechte Spur und zeigte dem schuldlosen Busfahrer den Mittelfinger ihrer Rechten.

„Aber die Lesung ist doch morgen in Denver. Um 10 Uhr!” sagte Ségolène schrill und fiddelte in ihrer Tasche nach den entsprechen den Unterlagen, die diesen Umstand belegten.

„Wie gesagt, Fischerin: Nix is fix im Leben, gelt! Ich geb’ ja nicht jedem meine Mobilnummer. Man hat der Iltis gefaxt. Man war der Meinung, eine größere Aula wäre für meine Lesung angebracht. University of Colorado in Boulder, Mausiputzi. Boulder ist ja nicht weit. Wissen Sie, daß in Boulder keiner stirbt? Ist nämlich die gesündeste Stadt Amerikas. Sport und Mineralien. Sport und Spurenelemente. Sport und Vitamine. Sagt die Terpsy”.

Ségolène schloß die Augen und dachte fieberhaft nach. Mario Spinucci und Bronislav Klenovski waren vermutlich bereits im Leihwagen nach Denver unterwegs. Da die Lesung für den folgenden Tag anberaumt war, würden sie erst in etwa 20 Stunden entdecken, daß die Wendelburg sich an keine Regeln hielt und unauffindbar war.

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